Interview mit Anne Goldmann

Anne Goldmann hat im vorigen Jahr mit ihrem Roman „Das Leben ist schmutzig“ für Aufmerksamkeit gesorgt. Im Mai 2012 ist ihr neuer Krimi „Triangel“ im Argument Verlag erschienen. Wieder überrascht sie mit einem dichten Handlungsgewebe und überzeugt mit einem psychologisch ausgefeilten Figurenensemble. Im August befindet sich ihr Krimi auf der KrimiZeit- Bestenliste unter den zehn besten Krimis. Neugierig geworden, wollte ich mehr über die Autorin und den Hintergrund ihres Schreibens erfahren und habe sie um ein Interview gebeten.

Henny Hidden: Ihre Protagonistin Regina Aigner ist ja eine recht kantige Figur und sie gehört nicht gerade zu den Frauen, denen man in erster Linie Sympathie entgegenbringt.

Anne Goldmann: Genau. Regina ist eine spröde Persönlichkeit: distanziert, misstrauisch, bisweilen schroff im Umgang. Eine, die signalisiert, dass sie alles im Griff hat, niemanden braucht. Eine „Miss Moral“ ist sie noch dazu. Wenn jemand wie sie in Schwierigkeiten gerät, neigt man dazu, Schadenfreude zu empfinden. Nun wollen wir unseren Krimiheldinnen aber emotional nahe sein. Wir wollen uns mit ihnen identifizieren, sie bewundern, mit ihnen mitfiebern, um sie bangen … was also fangen wir mit einer Protagonistin an, die das nicht zulässt? Uns zurückweist.
Sind wir verärgert? Bleiben wir dran? Und wenn ja, warum? Wollen wir wissen, verstehen, was dahinter steckt?

Henny Hidden: In Schreibratgebern wird ja oft darauf hingewiesen, dass ohne positive Protagonistin nichts läuft. Als ich vor längerer Zeit das Buch von Derek Nikitas „Scheiterhaufen“ gelesen habe, habe ich darüber nachgedacht, was mich an dem Buch mit den äußerst unsympathischen Protagonistinnen so reizte. Eigentlich wollte ich erleben, dass in den Frauen irgendwo noch ein Stück Menschlichkeit steckt. Als Leser vergleicht man ja auch das Verhalten mit seinen Moralvorstellungen, teilt entweder die angebotene Lösung des Autors, verwirft sie oder lernt sie verstehen. Und lernt sich selber kennen. Was ja auch schmerzhaft sein kann.
Nun besitzt ja Regina Aigner auch schwache, weiche Seiten, aber der Beruf verlangt schon eine kontrollierte Härte von ihr. Sie arbeitet als Wärterin, als Schließerin in einem Männergefängnis.

Anne Goldmann: Sie ist Justizwachebeamtin, ja.

Henny Hidden: Wenn ich über diese Frauen nachdenke, lande ich oft an einem bestimmten Punkt, und ich würde gern Ihre Meinung erfahren: Worin würden Sie das Hauptgewicht sehen? Sucht ein bestimmter Typ von Frauen diese Art von Tätigkeiten oder werden Frauen, die an einem stark reglementierten Ort für die Einhaltung von Regeln verantwortlich sind, oft zu harten, unnahbaren Personen?

Anne Goldmann: Warum wählen wir unseren Beruf, gerade diesen, aus den vielen Möglichkeiten, die uns – wenigstens theoretisch – offenstehen, was meinen Sie? Warum werde ich Lehrerin? Warum geht jemand zur Polizei? Wird Richterin oder Finanzbeamtin? Die Gründe sind m. E. so unterschiedlich wie die Menschen, die in diesen Berufen arbeiten. Da stellen Justizwachebeamtinnen vermutlich keine große Ausnahme dar. Manche stammen aus Familien, die seit Generationen als JWB arbeiten. Sie suchen eine Herausforderung, wollten eigentlich zur Polizei oder finden das Milieu spannend, oder brauchen – wie Regina – einen krisensicheren Job. Oder sie arbeiten einfach gern mit Menschen. Es gibt ja Betriebe und Ausbildungsstätten in den Anstalten, Mutter-Kind-Abteilungen, Krankenstationen … Mag sein, dass auch eine gewisse Anzahl von „Law and Order“- Verfechterinnen hier ihren Platz findet.
Der Job ist belastend und – für Männer wie Frauen – ausgesprochen familienfeindlich. Die Frauen müssen sich zudem in einem streng hierarchischen, von Männern dominierten Berufsfeld behaupten und arbeiten mit einem Klientel, das permanent Grenzen überschreitet und Frauen gegenüber oft wenig Respekt zeigt. Eine starke, selbstsichere Persönlichkeit wird damit vermutlich relativ gut klarkommen und entsprechende Strategien entwickeln. Die eine oder andere mag sich anpassen, abstumpfen oder versuchen, sich mit betonter Härte durchzusetzen. Ich würde allerdings nicht annehmen, dass das zwangsläufig so sein muss.

Henny Hidden: Wenn Sie mich so direkt fragen, denke ich, dass, abgesehen von einem krisensicheren Job oder familiären Vorbelastungen, sich ein Mensch im ersten Berufsjahr darüber klar werden müsste, ob er den Beruf ausüben kann oder will. Alles andere wäre Qual und Frust und verbiegt die Persönlichkeit. Wer kann das aushalten? Andererseits kann man das auch nicht so absolut sagen. Wenn man an das berühmte Milgram-Experiment denkt, kann man sich durchaus mit der Ausübung von Macht arrangieren. Fällt mir gerade so ein.

Anne Goldmann: Das ist für mich eine der interessantesten Fragen überhaupt: Was ertragen Menschen, was glauben sie, ertragen zu müssen? Und wozu sind sie imstande?

Henny Hidden: Aus Ihrer Vita habe ich erfahren, dass Sie einige Jahre in einer Justizanstalt gearbeitet haben. Sind Ihnen dort ähnliche Justizangestellte wie die von Ihnen skizzierte Regina Aigner begegnet?

Anne Goldmann: Sie werden in meinen Büchern niemanden finden, die oder den es real gibt. Das Abbilden, Nacherzählen finde ich nicht sonderlich spannend. Ich habe ein bestimmtes Thema im Kopf und überlege, was sich daraus machen lässt. In meinem ersten Roman “Das Leben ist schmutzig“ war zunächst die Kulisse da – ein Mietshaus, in das ich unterschiedlichste Persönlichkeiten habe einziehen lassen, um dann über sie den Plot zu entwickeln und die Geschichten der einzelnen Bewohner miteinander zu verweben.
„Triangel“ ist aus der Idee entstanden zu zeigen, wie Menschen agieren, die mit ihrer Vergangenheit nicht klarkommen und sie also zu verdrängen trachten. Das Eingeschlossensein in sich selber, ihre Unfähigkeit zu vertrauen, sich mitzuteilen, die eigenen Bilder in Frage zu stellen, lassen sie Dinge tun, die aus dem Moment entstehen, einer Emotion, die hochschießt, einem Impuls, der nicht kontrollierbar scheint – und das Gegenüber als Korrektiv nicht zur Verfügung hat. Die Folgen sind absehbar. Auf diese Weise zu „funktionieren“ macht (wie bei Reginas Freundin Johanna) Abspaltung notwendig. Das lässt sich eine Weile durchhalten, funktioniert aber nur scheinbar. Die Dinge kommen dennoch ans Licht.
Ich wollte auch sehen, ob Männer und Frauen, die ja durch ihre Erziehung geprägt sind, in diesem Zusammenhang unterschiedlich handeln. Und wie das aussehen könnte. Welche Komplikationen das bringt.
Was liegt nun angesichts dieser Thematik näher, als die Handlung – zumindest einen Teil davon – an den Ort zu verlegen, wo Menschen buchstäblich eingeschlossen, weggeschlossen werden? Dem inneren Gefängnis also das reale zuzugesellen. Als Bühne, als Hintergrund, wenn Sie so wollen. Es ist aber kein Knastkrimi. Und ich gestatte mir daher auch die eine oder andere kleine Freiheit, was Anstaltsleben und Abläufe betrifft.

Henny Hidden: Trotzdem möchte ich gern noch mal nachfragen? Würden Sie ihre Figur als sehr realitätsnah ansehen? War es Ihnen beim Schreiben überhaupt wichtig, so realitätsnah wie möglich zu erscheinen oder basiert Ihre Figurenzeichnung in erster Linie aus der Ordnung des Romans?

Anne Goldmann: Eine Geschichte kann nur funktionieren, wenn die einzelnen Charaktere stimmig sind. Wenn man ihnen genauso gut im Alltag begegnen könnte. Daher verwende ich viel Zeit und Sorgfalt für die Zeichnung der Personen, auch solcher, die nur einmal kurz durch die Kulissen huschen. Man muss sie nicht mögen, sie können einem fremd bleiben, auch in der Art, wie sie handeln – man geht ja von den eigenen Erfahrungen aus -, man muss der Autorin aber abnehmen, dass diese spezielle Person, die hier eine unfassbare Dummheit begeht, aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur genau so und nicht anders handeln kann.

Henny Hidden: Sie stellen diese Frau ja in eine Reihe mit Christoph Heins Figur Claudia aus seinem Roman „Drachenblut“. Sie ist eine Ärztin, die so kurios das auch klingen mag, Nähe zu anderen Menschen nicht ertragen kann.

Anne Goldmann: Das trifft auch auf Reginas Kollegen Kowalsky zu. (Er ist es ja, der den Bezug herstellt.) Der hält sich mit seiner Fettschicht und seinem polternden Wesen die Welt vom Leib. Regina und er sind einander ziemlich ähnlich, auch, wenn es auf den ersten Blick gar nicht danach aussieht.

Henny Hidden: Regina Aigner legt sich täglich mit dem Überstreifen ihrer Uniform einen Panzer um. Sie kommt durch ihre Verrichtungen im Gegensatz zu der Heinschen Claudia auch gar nicht in die Verlegenheit, die Nähe eines anderen längere Zeit zu spüren.

Anne Goldmann: Ja, in dem Punkt ist sie perfekt, nicht? Und es geht ja auch eine ganze Weile gut.

Henny Hidden: Und eigentlich denkt sie während ihres Dienstes auch nur über sich und über den reibungslosen Ablauf mit den Häftlingen nach. Zu ihren Kollegen hält sie Abstand, wohl auch, weil sie den rauen Männern keinen Anlass zu Anzüglichkeiten oder zur Häme geben will.

Anne Goldmann: Und da ist noch dazu die irrationale Angst, ihre Vergangenheit, ihre Herkunft könnten ans Licht kommen.

Henny Hidden: Irgendwie scheint sie innerlich abgestorben zu sein. Nur den häuslichen Bereich tauchen Sie in ein anderes Licht, und wir sehen eine in sich gelöste Frau. Das Häuschen im Grünen erscheint als Ort der Verheißung, aber auch als Ort der Abschottung. Auffällig, dass Männer und Kinder draußen bleiben. Nur durch die Katze erlebt sie, dass sie lebendig ist.

Anne Goldmann: Sie sagen „abgestorben“. Sie ist einsam, abgeschnitten auch von sich selber. Sie spürt es gar nicht, braucht aber augenscheinlich das Gartenidyll, das sie beschützt.

Henny Hidden: Ihren Kollegen Paul, mit dem sie ein Verhältnis hat, liebt sie nicht, obwohl er sich sehr um sie kümmert. Je mehr er drängt und ihr seine Liebe schwört, umso unangenehmer empfindet sie ihn. Eine Frau wie Regina kann einen Mann, der sie mit seinen Hilfeangeboten erdrückt, nicht ertragen.

Anne Goldmann: Der Mann ist aber auch ziemlich übergriffig. Er hat eine Vorstellung davon, wie man leben soll, wie ein geregeltes Leben aussieht, und hat Regina einen festen Platz darin zugedacht. Sie wird gar nicht groß gefragt. Während sie annimmt, dass man das Miteinander durch eine Vereinbarung regeln kann, und nicht bedenkt, dass Gefühle sich nicht an Verträge halten, geht er davon aus, dass mit entsprechender Beharrlichkeit sich schon alles in seinem Sinn entwickeln wird.

Henny Hidden: Und doch schafft es ein anderer Kollege, mit dem sie einen freundschaftlichen Umgang pflegt, ihr Herz zu gewinnen. Sehen sie das ähnlich, dass das Unglück der Menschen auch darin besteht, dass die, die vielleicht besser zusammenpassen, aneinander vorbeilaufen, weil sie sprachlos sind oder sich zu sehr einigeln, unfähig sind, aufeinander zuzugehen.
Anders gefragt. Wird die ausgeprägte Individualität in der westlichen Welt, die immer mehr im Arbeitsprozess z. B. bei Computerarbeitsplätzen und in vielen anderen Gesellschaftsbereichen gewünscht wird, zu einem Hemmnis im Zusammenleben? Oder ist das jetzt zu hoch gegriffen?

Anne Goldmann: Das kann ich nicht beurteilen. Man kommt ja heute – irl wie virtuell – mit ungleich mehr Menschen in Kontakt, als dies früher der Fall war. Alles scheint möglich. Das führt mich zu der Frage: Sind wir tatsächlich so frei in der Wahl unseres Partners, der Partnerin? Angeblich fällt die Entscheidung, ob ich mich von jemandem angezogen fühle, binnen Sekunden. Da „entscheiden“ zunächst wohl unsere Bedürftigkeit (ich wähle das Wort ganz bewusst), die Bilder, Sehnsüchte, unbewusste Wünsche und Projektionen. Letztendlich erweist sich erst im Alltag, im Miteinander (und oft erst in der Rückschau, wenn der Blick nicht mehr von heftiger Verliebtheit verstellt ist), ob man – wie Sie sagen – „gut zueinander passt“.

Henny Hidden: Liebe oder Begehren setzt ja viele Gefühlsregungen frei. Positive wie negative, wie wir wissen und wie man an der Beziehung zwischen Regina und Paul sehen kann. Mit einem verhängnisvollem Ausgang.
Kürzlich habe ich in der Weltonline in Auswertung einer wissenschaftlichen Untersuchung gelesen, dass Männer fast zehnmal soviel Testosteron wie Frauen freisetzen. In Krisenzeiten, auch wenn andere Faktoren wie Unzufriedenheit hinzukommen, kann das zu einer größeren Risiko- und Aggressionsbereitschaft führen, was dann den Ausbruch von Aufständen und Kriegen erklärt, wie es zum Beispiel in Ägypten der Fall war.

Anne Goldmann: Von solchen Erklärungsmodellen halte ich nichts. Wer mangelnde Impulskontrolle als „hormonell bedingt“ beschreibt, ignoriert die Macht der Erziehung, von Rollenzuschreibungen und lässt (gesellschafts)politische Zusammenhänge außer Acht. Er bestärkt damit destruktives Verhalten und erweist der Gesellschaft einen schlechten Dienst.

Henny Hidden: Ich finde, dass man darüber schon mal nachdenken kann, wenn Peter Scholl-Latour darauf hinweist, dass in der arabischen Welt fünfzig Prozent der Bevölkerung unter 25 Jahre ist und Auseinandersetzungen deshalb mit einer ganz anderen Power ausgetragen werden. Auch wenn er letztendlich den obengenannten Schluss nicht zieht.

Anne Goldmann: Junge Menschen sind natürlich begeisterungsfähig, kämpferisch, voller Energie. Sie stürzen sich ins Leben, in Dinge, die sie für wichtig erachten. Die Politik, Religionen machen sich das zunutze. Ich stimme Scholl-Latour hier zu. An den Menschen als hormongesteuertes Wesen glaube aber ich nicht.

Henny Hidden: Die Entstehung des Kriminalfalles resultiert ja letzten Endes aus einem Missverständnis, der vielleicht bei einem Zusammentreffen von Frauen nicht so passiert wäre. Was halten Sie von dieser biologistischen Begründung? Haben Sie eine Frau zwischen zwei Männer gestellt, weil die Auseinandersetzungen härter ausgetragen werden?

Anne Goldmann: Das hängt meines Erachtens weniger vom Geschlecht, denn von der jeweiligen Persönlichkeit und ihren Handlungsmustern ab. Ich wollte eine Frau mit einer speziellen Einschränkung zeigen, die sie nach außen auf den ersten Blick kühl, zielgerichtet und kontrolliert – wenn Sie so wollen, „männlich“ – wirken lässt. Die beiden Männer kommen aus einem Umfeld mit starren männlichen Rollenbildern und entsprechenden Reaktionsmustern. Das bietet für einen Krimi einiges Potential.

Henny Hidden: Ich will noch ein bisschen weitergehen. In ihrem Handlungsverlauf räumen Sie ja dem zufälligen Moment einen bedeutenden Platz ein. Damit nähern Sie sich dem wirklichen Leben, in dem nun mal die meisten Taten im Affekt entstehen, während in anderen Krimis, auch zur Befriedigung der Lesegewohnheiten, darauf geachtet wird, dem Ganzen eine Stringenz zu geben, auch um dem Leser nicht zu irritieren.
Beiläufige Ereignisse im Krimi, die auf einem unterschwelligen Hintergrund erwachsen, tragen ja eine große Wucht in sich. Würden sie darin eines ihrer Stilprinzipien sehen?

Anne Goldmann: Ja.
Man darf die Leserin, den Leser nicht unterschätzen und ihr oder ihm nur mundgerechte, leichtverdauliche Häppchen reichen. Das Leben ist viel weniger planbar und kontrollierbar, als wir es uns selber einreden wollen. Das wissen wir natürlich, halten es aber von uns weg, weil es uns beunruhigt.
Hier sind es allerdings weniger die Zufälle als der Umstand, dass Regina, Paul und Hassler ausschließlich von ihren eigenen Bildern ausgehen, sie nie überprüfen, nicht hinterfragen: Was meint mein Gegenüber genau? Ein Übersetzungsfehler, wenn Sie so wollen, reiht sich an den anderen. Am Beispiel Paul: Die Eifersucht lässt nur eine Deutung zu. Die Emotionen überfluten ihn, die Reaktion folgt unmittelbar. Das kann natürlich nicht gut gehen.

Henny Hidden: Es ist ja auch anstrengend, sich dauernd zu hinterfragen.

Anne Goldmann: Ja, das ist es. Aber sein Gegenüber könnte man doch fragen: Was meinst du genau? Was denkst du?

Henny Hidden: Und abschließend. Psychologen machen sich ja oft Gedanken, wie man die Aggressionsbereitschaft, die zwischen den Menschen in der modernen Gesellschaft herrscht, mindern kann. Ein bekannter Psychiater meinte, dass es nur einen Weg gäbe. Die Empathie.

Anne Goldmann: Ich würde sagen, Respekt wär schon einmal ein guter Anfang. Aggression erwächst ja oft aus einem geringen Selbstbewusstsein, aus der Angst, dem Empfinden, belächelt, negativ beurteilt, abgelehnt zu werden. Man schlägt hin – mit Worten, mit Fäusten -, blitzschnell, bevor der andere verletzten kann. Man agiert und erspart sich damit, den Schmerz zu spüren, den die tatsächliche oder vermutete Zurückweisung auslöst.
Empathie setzt voraus, dass ich meine eigenen Bedürfnisse gut spüre und versorgen kann. Solange ich hart zu mir selber bin, klappt das nicht, wie wir an Regina sehen.

Henny Hidden: Am Ende ihres Buches habe ich gedacht, dass dies auch genau der richtige Weg ist, den Regina Aigner wählt. Sie geht zu dem Mann und hört sich seine Geschichte an. Ein schöner Ausblick, wie ich finde.

Anne Goldmann: Ja, nach allem ist es schließlich möglich: Vertrauen gegen Vertrauen. Und die schlimmsten Befürchtungen bleiben aus.
Wem Gerechtigkeit und Moral über alles geht, mag freilich am Ende nach der Polizei rufen.

Vielen Dank für das Interview.